Wasserhaushalt
Über 90 Millionen Menschen sind vom Wasser aus den Alpen abhängig. Wenn im Sommer die Niederschläge ausbleiben, macht sich das in den weitreichenden Alpenflüssen auf der Nordseite noch nicht so deutlich bemerkbar. Denn sie werden primär durch die Jahrhunderte alten Gletscher gespeist, die sie aktuell vielerorts noch reichlich versorgen. Aber ein Blick auf die Alpensüdseite zeigt, was auch uns auf der Nordseite bevorsteht.
Der Po, längster Fluss Italiens, machte 2022 mit seinem historischen Tiefstand Schlagzeilen. Es wird von katastrophaler Dürre berichtet, und davon, dass schon jetzt die Felder in seinem Einzugsgebiet, der wichtigsten Landwirtschafts- und Wirtschaftsregion Italiens, nicht mehr bewässert werden können. Auch die klimafreundliche Stromerzeugung aus Wasserkraft kann nicht weiter betrieben werden und man sorgt sich um die Versorgung der Kühlsysteme für die Kraftwerke vor Ort.
In den Alpen macht der Wassermangel besonders den Betreibenden von hochalpinen Hütten zu schaffen. Dort führen Gletscherrückgang und trockene Sommer zu existenzbedrohenden Zuständen. In absehbarer Zukunft dürfte es auch einen anderen Tourismussektor betreffen, der aktuell pro Jahr in den Bergen so viel Wasser verbraucht wie drei Städte[1]: Die Skigebiete in Österreich, deren Pisten aufgrund des Schneemangels nur mit aufwändiger Beschneidung in Betrieb gehalten werden können. Derzeit ist das Wasser dort noch in ausreichender Menge vorhanden und es wird vielerorts in das Anlegen künstlicher Speicherseen investiert.
Was für eine traurige Vorstellung, dass diese Becken eines Tages die einzigen Zeugen der plätschernden und sprudelnden Vergangenheit der Alpen sein könnten.
Schon jetzt leidet etwa die Hälfte der Bevölkerung weltweit zumindest in einem Teil des Jahres an Wassermangel. Damit wird deutlich, dass der großräumige Wassermangel eine der schlimmsten Folgen des Klimawandels ist.
[1] ZDF Doku „Alpen in Gefahr“ am 11.4. um 20:15
Permafrostboden
Die Berge verlieren den Halt, denn der Permafrostboden, der die Berge im Inneren über Jahrhunderte zusammengehalten hat, schmilzt mit erschreckender Geschwindigkeit. Unter Permafrost versteht man das über Jahrhunderte tiefgefrorene Innere, das Felswände, Böden und Halden im alpinen Bereich wie ein Kitt zusammenhält. Auf der Alpennordseite gibt es Permafrost schon ab 2.400 Metern Höhe, auf der wärmeren Südseite oberhalb von etwa 2.900 Metern. Wenn dieser kalte Kern schmilzt, kommt es vermehrt zu Steinschlag, Murgängen (Schlammlawinen aus Wasser und Geröll) und auch zu großen Bergstürzen.
Zahlreiche Beispiele aus den letzten Jahren machen die katastrophalen Ausmaße deutlich. Wanderer und Bergsteigerinnen kamen ums Leben, Dörfer wurden zerstört, Wege unpassierbar – unwiederbringliche Verluste. Die Zahl der alpinen Touren die unbegehbar sind, wird weiter zunehmen, Klassiker an Matterhorn und Mont Blanc werden immer häufiger gesperrt. Allein am Mont-Blanc Massiv kam es seit 2007 zu 511 Felsabbrüchen aufgrund von schmelzendem Permafrost. Von den Folgen sind auch viele Hütten betroffen, da sie in höheren Lagen oft auf Permafrostboden gebaut sind. Es werden kostspielige Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich, die manche Hütten unrentabel machen.
Der Sommer 2022, aufgrund von Rekordtemperaturen und Regenarmut auch als „Katastrophensommer“ betitelt, fand in dem Eissturz an der Marmolata in den Dolomiten einen tragischen Höhepunkt. Vielen Menschen verloren ihr Leben.
Begegnet wird den Katastrophen oft defensiv. Man installiert Frühwarnsysteme, die beispielsweise automatisch die Sperrung von Straßen veranlassen können und Dorfgemeinden alarmiert. Aufhalten lassen sich die Entwicklungen allerdings zunächst nicht. Umso wichtiger ist es, dass wir uns angewöhnen längerfristig zu denken, für die sich verändernde Zukunft vorzusorgen und den weiteren Klimawandel mit allen uns möglichen Mitteln entschieden einzudämmen.
Der Drache regt sich wieder Bergundsteigen 03/07
Tauender Permafrost lässt Berghütten in den Alpen bröckeln
Pflanzenwelt
Auch auf die Vegetation hat der Klimawandel deutlich Auswirkungen. Am sichtbarsten sind die Folgen der Extremwetter-Ereignisse, wie Dürre und Überflutungen. Aber langfristig ändert sich noch viel mehr. Bisher war die Alpenregion mit bis zu 3.000 verschiedenen Blütenarten auf etwa 100 Quadratkilometern ein Paradies der Artenvielfalt.
Und wenngleich man feststellen kann, dass viele Pflanzen im Alpenraum mit den aktuellen ein bis zwei Grad Erwärmung noch gut zurechtkommen (die Vegetationszeiträume haben sich seit 1960 um ganze 10,8 Tage verlängert), wird es nicht so bleiben. Denn auf weitere Temperatursteigerung können sie nicht mehr reagieren. Wenn die Erwärmung in den Alpen 3,3 Grad erreicht, rechnet man in der Schweiz derzeit mit einem Rückgang der alpinen Vegetationszone um 63 Prozent. Auch in den alpenweiten Berechnungen geht man von einem Verlust von rund 60 Prozent der Arten aus.
Viele Pflanzen, so beispielsweise Latschenkiefern und Arnika, breiten sich aktuell in größere Höhen aus. Dort verdrängen sie aber mir ihrer Größe die dortige alpine Flora, der sie das Licht nehmen. Arten, wie der Enzian oder der Gletscher-Hahnenfuß können ohnehin nicht nach oben ausweichen, weil es dort zu steil, zu exponiert oder auch zu kalt ist.
Da sich auch die Bäume teilweise über die bisherige Baumgrenze hinaus nach oben verlagern, verlieren die Hänge durch den Mangel an Wurzeln ihre Stabilität und es kommt vermehrt zu Lawinen und Steinschlag. Wachsende Grünflächen in größerer Höhe führen zudem zu einer weiteren Beschleunigung des Temperaturanstiegs, da die dunklere Farbe weniger Sonnenlicht absorbieren oder spiegeln kann.
Weiter unten hingegen, insbesondere in Mooren und Hochmooren kommt es durch die Dürreperioden zu einer höheren Konzentration von CO2 in der Luft, da dieses im vertrockneten Boden nicht mehr aufgenommen werden kann. Dort wo in diesen Lagen noch Wald wächst, steigt die Gefahr für Waldbrände. Die Art und Weise, wie der Wald hierzulande in Zukunft bewirtschaftet wird, hat Einfluss darauf, ob der Klimawandel angekurbelt oder eingedämmt wird. Wenn Wälder lediglich verrotten, dann binden sie kein CO2 mehr aus der Luft. Im Gegenteil, sie setzten noch mehr frei.
BUND: Der Bayerische Bergwald - Eine Lebensversicherung
Studie der Schweizer Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft in "Biological Reviews", April 2021